Wir nähern und dem nördlichsten Punkt unserer Reise. Das bedeutet, dass die Tage für uns (noch) immer länger und die Nächte kürzer werden. Mitternachtssonne können wir leider nicht mehr erleben, aber es wird auch nicht richtig dunkel. Das folgende Bild habe ich heute Morgen um 00:02 Uhr aufgenommen.

Auf der Fahrt von Tromsø zum nächsten größeren Hafen in Honningsvåg legt das Schiff in der Nacht noch in Skjevøy, Øksfjord und Hammerfest an. Während unseres Frühstücks laufen wir dann den Hafen von Havøysund an.

Honningsvåg liegt auf der Insel Magerøya. Der Name der Insel kann mit „magere Insel“ oder „karge Insel“ übersetzt werden.

Plan der Insel

Der Name deutet darauf hin, dass es auf der Insel keinen natürlichen Baumbestand gibt, weil sie nördlich der Baumgrenze liegt. Kennzeichnend für die Landschaft sind Grasflächen, niedriges Buschwerk und eine große Anzahl von Moosen und Flechten, die auch die Hauptnahrung der Rentiere darstellen.

Die Insel wird in den Sommermonate von Mai bis August im Rahmen ihrer natürlichen Migrationsbewegungen von einer großen Zahl von Rentieren aufgesucht.

Rentiere auf der Insel Magerøya

In früheren Zeiten sind die Rentiere, um auf die Insel zu kommen, durch den 1,8 km breiten Magerøysund geschwommen. Rentiere sind gute Schwimmer. Die Haare ihres Fells sind hohl, sodass sie quasi natürliche Schwimmwesten haben.

Im Jahre 1999 wurde der Nordkaptunnel eröffnet, der die Insel mit dem norwegischen Festland verbindet. Der Tunnel ist knapp sieben Kilometer lang und führt in einer Tiefe von bis zu 212 Metern unter dem Meer entlang. Seitdem nutzen auch die Tiere diesen Tunnel für die Migration. Teilweise werden sie von den Sami, denen die Tiere gehören, auch mit Booten auf die Insel gebracht.

Rentiermutter mit Kalb

Die Rentiere sind nahezu überall auf der Insel anzutreffen und so sehen wir bei der Rückkehr von unserem Ausflug sogar eine Gruppe von Tieren im Hafengebiet von Honningsvåg.

Eine Gruppe von Rentiere im Hafen von Honningsvåg

Die Sami folgen ihren Tieren auf den Wanderungen und so kann man auf der Insel auch deren Sommerbehausungen sehen.

Sommercamp einer Sami-Familie

Im Herbst wandern die Tiere zurück aufs Festland. Da sie sich über den Sommer auf der Insel genug Kraftreserven angefressen haben, erfolgt die Rückkehr aufs Festland für nahezu alle Tiere schwimmenderweise durch den Sund.

In Honningsvåg, wo unser Ausflug zum Nordkap startet, kommen wir gegen 11:00 Uhr an. Im Hafen selbst ist es hell, doch auf der Fahrt zum Nordkap verdichtet sich der Nebel leider immer mehr, je höher wir auf das Plateau kommen.

Nebel auf dem Weg zum Nordkap.

Dennoch steigt mit jedem Kilometer, den wir uns dem Kap annähern die Spannung.

Noch 13 km zum Nordkap

Als wir schließlich ankommen, liegt das Plateau tatsächlich im Nebel. Allerdings wird es zwischendurch immer mal wieder etwas heller, sodass die Hoffnung nicht ganz schwindet.

Wir beschließen, zunächst die Ausstellungen in der Nordkaphalle zu besuchen und uns dann auf den Weg zum Globus zu machen.

In der Nordkapphalle gibt es eine Ausstellung zu Seevögeln, Dokumentationen zu verschiedenen Persönlichkeiten, die bereits in frühen Jahren das Nordkap besucht haben, die nördlichste Kapelle Europas und es wird ein Panoramafilm über die Jahreszeiten am Nordkap gezeigt.

Dann gehen wir schließlich nach draußen zum Globus, um dort die obligatorischen Fotos zu machen.

Nordkap-Foto am Globus.

Danach geht es auch schon wieder zurück zum Bus und wir machen uns auf den Weg zurück zum Schiff. Auf dem Weg passieren wir die Copa Cabana von Honningsvåg, einen kleinen Strand an einem Fjord, der nach Aussagen der Begleiterin unseres Busses im Sommer ein beliebter Badeplatz für Familien ist. Dazu sei angemerkt, dass die Wassertemperatur auch im Sommer selten über 12 ° C steigt.

Die Copa Cabana von Honningsvåg

Auf dem Rückweg wird das Wetter immer besser, je näher wir dem Hafen kommen. Im Hafen nutzen wir die kurze Zeit, die bleibt, bevor wir wieder am Schiff sein müssen, um uns kurz umzusehen.

Zurück an Bord legt das Schiff auch bald ab und die Reise geht weiter. Wir genießen den Nachmittag mit einem Kaffee bei bestem Sonnenschein an Oberdeck.

Kurz vor der Einfahrt in den Hafen von Kjøllefjord liegt vor der Küste die Finnkirka. Dabei handelt es sich um eine Felsformation, die von ihrer Form her an eine Kirche erinnert. Dieser Ort diente den Sami als Opferplatz und ist für das Volk noch heute ein heiliger Ort.

Felsformation Finnkirka

Richtig zur Geltung kommt die Formation allerdings erst, als wir aus dem Hafen wieder herausfahren, weil sich die Felsen dann gegen den freien Horizont sehr gut abheben.

Die Finnkirka von der Hafeneinfahrt von Kjøllefjord aus gesehen

Während wir aus dem Hafen herausfahren, schwimmt plötzlich eine Gruppe von Delfinen vor dem Schiff vorbei.

Während der kommenden Nacht werden wir sowohl den nördlichsten als auch den östlichsten Punkt unserer Reise erreichen, aber dazu gibt es morgen mehr. Also: stay tuned!

Jetzt hätte ich es fast vergessen: Was soll die Überschrift? Warum „fast“?

Nun, der Felsen, der heute als Nordkap bezeichnet wurde im 16. Jahrhundert erstmals in Seekarten verzeichnet. Im Jahr 1553 waren drei englische Schiffe auf dem Weg durch das Nordpolarmeer auf der Suche nach einem Seeweg nach China. Die Schiffe wurden in einem Sturm voneinander getrennt. Zwei Schiffe sanken und lediglich die Edward Bonaventura umsegelte dass Kap Knyskanes. In der Annahme, es handele sich um den nördlichsten Punkt des norwegischen Festlands trug der Kapitän den Namen „Nordkap“ in die Seekarte ein.

Warum es sich nicht um den nördlichsten Punkt Europas handeln kann, sieht man bereits, wenn man dort oben steht (oder sich alternativ die oben abgebildete Grafik der Insel Magerøya ansieht). Das Kap Knivskjellodden direkt westlich nebenan liegt etwa 1,5 km nördlicher als das Nordkap. Allerdings führt keine Straße dorthin. Der Vogelfelsen ist nur auf einer sechs- bis achtstündigen Wanderung oder auf dem Seeweg zu erreichen.

Weitere Gründe, warum es zumindest diskussionswürdig ist, das Nordkap als den nördlichsten Punkt Europas zu bezeichnen werden im Wikipedia-Artikel zum Nordkap unter dem Abschnitt „Geographische Lage“ sehr gut erläutert.

Richtig muss es also heißen: Das Nordkap ist seit 1999 der nördlichste vom Festland aus auf dem Straßenweg erreichbare Punkt Europas.

Von Michael

6 Gedanken zu „Am (fast) nördlichsten Punkt Europas“
  1. Die Rentiere sind ja absolut niedlich 😍 und spannend zu wissen, dass sie genau so gut schwimmen können wie Elche. Dass das Nordkap gar nicht der nördlichste Landpunkt Europas ist, wollte ich auch noch schreiben, bevor ich deinen letzten Absatz gelesen habe 😀
    Und wie cool, dass ihr die Delfine gesehen habt! Da hätte ich gedacht, dass das Wasser für die da schon zu kalt ist und sie eher in südlicheren Gefilden unterwegs sind…

    1. Hier gibt es nicht nur die Delfine, sondern auch Grindwale, Schweinswale, Orcas und sogar Buckelwale. Die großen Wale sind allerdings nicht in den Küstengewässern, sondern an den Außenseiten der Inseln im offenen Atlantik unterwegs. Sondre vom Expeditionsteam hat uns berichtet, dass du bei anderen Reedereien Kreuzfahrten mit Walgarantie buchen kannst und wenn du auf der Kreuzfahrt keinen Wal siehst, bekommst du dein Geld zurück oder kannst kostenlos noch einmal fahren. Auf den Lofoten gibt es Elche. Die haben an Land keine natürlichen Feinde, allerdings im Wasser: nämlich die Orcas, wen sie von Insel zu Insel schwimmen.

      1. Das habe ich auch schon mal gelesen, dass Orcas natürliche Feinde des Elchs sind und habe es ehrlich gesagt für einen Hoax gehalten 😮

        1. Doch, das stimmt wirklich. Das hat uns unsere Guide bei der Rundfahrt über die Lofoten jedenfalls so gesagt. Da stand nämlich plötzlich ein Elch am Straßenrand. Ich war nur nicht schnell genug mit dem Fotoapparat.

    1. Die Norweger sind da allgemein hart im Nehmen. Jens wollte ihnen wohl nicht nachstehen. Anette aus dem Expeditionsteam hat auch gestern Nachmittag in Stokmarknes im Hafen gebadet. Das Wasser ist hier überall sehr sauber. Man kann selbst in den Häfen oft bis auf den Grund sehen.

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