Mit Einführung des sogenannten 9-Euro-Tickets im Nahverkehr ergeben sich nicht nur Vorteile für private und geschäftliche Bahnreisen. Auch für Bahn-Enthusiasten bietet das Ticket interessante Perspektiven.
Das Ticket gilt auch auf einigen touristisch sehr interessanten Strecken, wie dem Rasenden Roland oder der Molli-Bahn. Auch auf den Strecken der Harzer Schmalspurbahn, mit Ausnahme der Brockenbahn, kann das Ticket genutzt werden.
Überstunden hatte ich genug, so habe ich beschlossen, mal einen Tagestrip auf der HSB zu unternehmen. Als Strecke hatte ich mir den Verlauf der Selketalbahn und der Harzquerbahn von Quedlinburg nach Nordhausen vorgenommen. An- und Abreise erfolgten selbstverständlich auch per Bahn.
Die Anreise erfolgte über Hannover, Goslar und Halberstadt nach Quedlinburg. Zwei Gründe führen dazu, dass ich relativ früh unterwegs war: Einerseits neigt die S-Bahn Hannover seit der Übernahme durch die Transdev extrem zu teils erheblichen Verspätungen. Andererseits habe ich gern zeitlich etwas Reserven und komme ungern mit Einfahrt des Zuges am Bahnhof an.
So entschloss ich mich also, statt wie von der Fahrplanauskunft der DB vorgesehen mit der S-Bahn, mit dem früheren, von der Westfalenbahn betriebenen RE 70 nach Hannover anzureisen.
In Hannover war ich dann fast eine Stunde früher als die vorgesehene Weiterfahrt nach Goslar. Das führte dazu, dass ich den leicht verspäteten Takt des RE 10 Richtung Bad Harzburg noch erreichen konnte. Wir kamen auch mit leichter Verspätung in Goslar an, trotzdem konnte ich auch hier eine Stunde früher als geplant den RE 4 Richtung Halle / Saale noch erreichen.
Auch dieser Zug hatte leichte Verspätung. Kurz vor dem Erreichen des Bahnhofs Halberstadt wurde im Zug dann angesagt, dass der Anschluss Richtung Quedlinburg mit dem RE 11 nach Thale erreicht wird. Als wir in Halberstadt einfuhren, stand der Zug auch noch am Gleis. Als ich – und viele andere Reisende ebenso – trotz Sprint am Bahnsteig ankamen, war er doch weg.
Auf dem Nachbargleis fuhr dann gerade der Gegenzug zu den Zug ab, mit dem ich von Goslar nach Halberstadt gekommen war. Dieser bestand aus zwei uralten dunkelblauen Nahverkehrswagen, einer davon ein Steuerwagen, die von einer ozeanblau-beigen BR 218 geschoben wurden. Leider hatte ich nicht schnell genug mein Smartphone zur Hand, sonst hätte ich hier noch ein paar Fotos machen können.
Ich hatte jetzt also die Wahl, entweder eine Stunde zu warten, oder mit dem Bus nach Quedlinburg zu fahren, was ich dann auch getan habe.
In Quedlinburg hatte ich eine gute Stunde Zeit eingeplant, weil ich mich in der Stadt etwas umsehen wollte. Ich war vor längerer Zeit einmal dort gewesen und hatte die Stadt in ganz guter Erinnerung. Die Stadt ist ja UNESCO Welterbe, daher hatte ich mir einiges erhofft. Leider war ich doch etwas enttäuscht. Es gibt zwar viel alte Bausubstanz, aber manches Ensemble wird durch neuzeitliche Brutal-Architektur direkt nebenan doch empfindlich gestört.
In Quedlinburg ging es dann endlich von der Normalspur auf die Dampfzüge mit der Meterspur. Der Bahnhof ist der nördliche Endpunkt der Selketalbahn. Die erste Etappe führte mich mit einem dampflokbespannten Zug mach Gernrode. Der Zug wurde von der 99 7237-3 gezogen, einer Neubaulok Baujahr 1955.
Die Etappe war mit etwa 20 Minuten Fahrzeit nur relativ kurz. Dafür hatte ich dann in Gernrode wieder eine Stunde Aufenthalt. Eigentlich wollte ich mich auch hier etwas umsehen, wegen der externen Hitze habe ich aber nur ein schattiges Plätzchen gesucht und die Mittagszeit dort verbracht. Dazu bot sich ein kleiner Park mit einer Bank direkt am Bahnhof an.
Wer die Wartezeit nicht so lang braucht, kann auch von Quedlinburg aus etwa eine Stunde später mit einem Triebwagen nach Gernrode fahren.
Ich habe mich dann mit noch ein wenig im Betriebswerk umsehen und ein paar Fotos gemacht, bevor es auf die zweite Etappe von Gernrode nach Stiege ging.
Das war das längste Teilstück der heutigen Tour. Zum Einsatz kam wieder der gleiche Zug, mit dem ich schon von Quedlinburg nach Gernrode gefahren war.
Die Strecke führt durch eine malerische Landschaft und folgt – wie der Name nicht anders vermuten lässt – entlang des Flüsschens Selke. Die Ortsnamen wie Drahtzug, Stahlhammer oder Silberhütte lassen auf die vormals große Bedeutung des Ostharzes als Bergbau- und Industrieregion schließen.
In Alexisbad erfolgte ein längerer Halt. Hier musste die Lok Wasser nehmen, um für den weiteren Weg Richtung Hasselfelde gerüstet zu sein.
In Stiege habe ich den Zug dann verlassen. In der Fahrplanauskunft der HSB war dieser Umstieg so vermerkt. Was mir nicht bewusst war: Der Zug fährt weiter nach Hasselfelde, macht dort Kopf und kommt dann wieder zurück, um nach Eisfelder Talmühle weiterzufahren.
Der kurze Aufenthalt in Stiege ist aber durchaus zu empfehlen. In unmittelbarer Nähe des Bahnhofs befindet sich die Stabkirche, ein Kirchenneubau, der bis auf das Fundament und das Dach komplett aus Holz gebaut ist.
Von Stiege ging es dann wieder auf einer kürzeren Etappe mit der Lok Tender voran nach Eisfelder Talmühle. Hier endet die Selketalbahn und trifft auf die Strecke der Harzquerbahn. Insofern handelt es sich hier um einen Umsteigeknoten.
Die 99 7237-3 machte erneut Kopf, um sich wieder vor den Zug zu setzen und den Rückweg in Richtung Quedlinburg anzutreten. Vom Brocken (über Drei Annen – Hohne) kam ein weiterer Zug, der in Richtung Nordhausen Nord fuhr und von Nordhausen kam ein Triebwagen, der dann über Drei Annen – Hohne nach Wernigerode weiterfuhr.
Ich wollte ja die Fahrt in Richtung Nordhausen Nord fortsetzen. Daher bestieg ich den Zug, der vom Brocken kam. Er wurde ebenfalls von einer Neubaulok gezogen. Hier kam 99 7245-6 zum Einsatz, die Tender voran vor dem Zug fuhr.
Der restliche Weg nach Nordhausen war dann eher unspektakulär. Während auf dem bisherigen Teil der Strecke die Natur dominierte, ging es jetzt in urbanere Gegenden. Die Dichte der Haltestellen und Haltepunkte nahm deutlich zu. Der Zug wurde hier auch wesentlich stärker als „normales“ Verkehrsmittel genutzt, zum Beispiel von Familien mit Kindern, die in Ilfeld Bad im Schwimmbad waren und jetzt zum Abend hin nach Nordhausen zurück fuhren.
In Nordhausen Nord angekommen hieß es Abschied nehmen von der Meterspur. Nach einem kurzen Fußmarsch erreichte ich den Bahnhof Nordhausen, von dem ich dann die Rückfahrt gen Heimat antrat. Die Fahrt führte mich zunächst mit der RB 80 Richtung Göttingen bis nach Northeim. Dort wechselte ich auf den von Metronom betriebenen RE 2 nach Hannover Hauptbahnhof, von wo aus ich dann mit dem RE 70 wieder heimatliche Gefilde erreichte.
Fazit: 6 Zugverbindungen auf Normalspur, 4 Strecken auf Meterspur und eine Busfahrt. Von 07:30 Uhr bis 22:30 Uhr, also insgesamt 15 Stunden unterwegs gewesen. Es hat riesigen Spaß gemacht. Da ich mit der Brockenbahn schon mehrfach von Wernigerode bzw. Schierke aus auf dem Brocken war, fehlt mir im Schienennetz der Harzer Schmalspurbahn jetzt „nur“ noch der Streckenabschnitt der Harzquerbahn von Drei Annen – Hohne bis Eisfelder Talmühle und das kurze Stück von Stiege bis Hasselfelde.
Kommt Zeit, kommt Bahnfahrt…